Aus existenzanalytischer Sicht sind die 4 GM fundamental, denn jede GM stellt eine Säule/ Tischbein dar, auf denen eine erfüllte Existenz gründet. Sie sind also die Bedürfnisstruktur des Menschen und bilden in der EA den ätiologischen Hintergrund der Psychopathologie. Der Mensch sucht in seiner Existenz…
. #DASEIN KÖNNEN: Halt, Raum und Schutz, um in der Welt da-sein zu können. Dafür muss er die Seins-Bedingungen der Welt, seines Daseins, annehmen. („Ja zur Welt“) …
. LEBEN MÖGEN: Nähe, Zeit und Beziehung, um leben zu mögen. Dafür ist eine Zuwendung zu Werten notwendig. („Ja zum Leben“) …
. SO-SEIN DÜRFEN, Beachtung, Wertschätzung und Gerechtigkeit, um So-Sein zu dürfen und in seiner Individualität gesehen zu werden. („Ja zum Person-Sein“) …
. SINNVOLLES SOLLEN: Der Mensch strebt nach Sinnerfahrung. Er will sich einem größeren Zusammenhang, der ihn übersteigt, hingeben und will Sinnvolles tun. („Ja zum Sinn“)

Diese Motivationsstruktur bewegt den Patienten auch in der Beziehung zu seinem Therapeuten. Darum wird das Setting in der Existenzanalyse auch so gestaltet, dass der Patient gut da-sein kann. Der Therapeut bietet Halt, Raum und Schutz (1. GM) an; er sorgt für Zeit, Beziehung und Nähe (2. GM); seine Haltung ist wertschätzend (3. GM) und er bleibt offen für die ankünftige Welt des Patienten (4. GM). Der Patient soll das Wertvolle in der therapeutischen Beziehung spüren, sich in seinem So-Sein gesehen fühlen und die Sinnhaftigkeit der therapeutischen Begegnung erleben.
1. Grundmotivation: DASEIN KÖNNEN

Halt, Raum und Schutz, um in der Welt da-sein zu können. Dafür müssen die Seins-Bedingungen der Welt, des Daseins, angenommen werden.
Seinkönnen heißt Da-Sein-Können und Raum zum Leben zu haben. Der Seinsgrund beginnt mit der Grundfrage der Existenz, der Feststellung:
Ich bin.
Ich lebe.
Es gibt mich.
Das ist die Erfahrung des Seinkönnens, das Sich-der-Welt-überlassen-Können, das Gefühl, nicht aus der Welt zu fallen, das Gefühl, genug Boden zu haben, der tragfähig ist und mir Halt gibt.
Vorrangig notwendig für das Dasein sind Wahrnehmen und Annehmen des Faktischen, d.h. aller Bedingungen, die meine Lebenssituation ausmachen. Es ist, wie es ist. Um diese Wahrheit ANNEHMEN zu können, muss ich genau hinschauen können und unterscheiden, was davon Realität ist und was nur Vorstellung. Ich muss also offen sein, hinschauen und mir Informationen holen. Diese Realität gilt es dann AUSZUHALTEN. Ich muss sie aber auch (LOS-)LASSEN und Abstand nehmen können. (-> Längle sagte einst: „Das Lassen ist das größte Können.“) Die zentralen Themen:
Halt
Raum
Schutz
Aber auch Ruhe und Gelassenheit sowie Vertrauen, Mut, Wahrheit und Heimat. Aktuell hat beispielsweise die Coronapandemie großen Einfluss auf diese 1. Grundmotivation. Viele fühlen sich in ihrem Dasein unsicher. Das Virus hat Auswirkungen auf unser gesamtes Sicherheitsgefüge und unseren Halt in der Welt. Wir fragen uns „Können wir so überhaupt sein?“ Liegt eine schwerwiegende Störung auf der ersten Ebene vor, sodass der Mensch den Seinsgrund nicht erfahren kann, kommt es zu Fremdheitsgefühlen und Misstrauen
Die klinischen Störbilder sind Angst und Schizophrenie
2. Grundmotivation: LEBEN MÖGEN

Nähe, Zeit und Beziehung, um leben zu mögen. Dafür ist eine Zuwendung zu Werten notwendig. („Ja zum Leben sagen“)
Es genügt nicht, einfach das Dasein gesichert zu haben. In der zweiten Grundmotivation geht es um die Frage nach dem Lebensbezug:
„Ich lebe – mag ich leben?“
Um ein existenzielles Leben zu verwirklichen, braucht es Beziehungen,
Zeit als Raum der Beziehungen und
Nähe zu Menschen und Objekten. Auf dieser Basis kann der Mensch Zuwendung geben und erhalten. Daraus erwächst ein tiefes Wahrnehmen des Wertes, den das Leben hat, den sogenannten Grundwert.
Typische Ängste der zweiten Grundmotivationen, die auch für die Diagnose von Grundwertstörungen wichtig sein können, sind: – Angst vor Liebesentzug, Abneigung und Abwendung – Angst vor #Entwertung (nicht gut zu sein)Gibt es Erschütterungen im Grundwerterleben, kann es zu Abwendung, Entwertung und Rückzug, Belastung und Freudlosigkeit kommen.
Im klinischen Bereich finden sich Depression und Erkrankungen des manisch- depressiven Formenkreises (Bipolar affektive Störungen)
3. Grundmotivation: SOSEIN DÜRFEN

Beachtung, Wertschätzung und Gerechtigkeit, um So-Sein zu dürfen und in seiner Individualität gesehen zu werden. In der dritten personalen Grundmotivation geht es um das Selbstsein- und Sosein-Dürfen.
Ich habe das Recht, so zu sein, wie ich bin. Im gelungenen Selbstwerterleben kann ich „Ja“ sagen zu mir als Person, mit meinen Stärken und meinen Schwächen. Ich hab das Gefühl:
Es ist gut, wie ich bin.
Ich bin einmalig und unverwechselbar.
Die Person stößt mit ihrem Selbstwert immer wieder an Grenzen vorgegebener Werte und Normen durch Familie, Gesellschaft, Religion,… Sie steht dann vor der Frage, ob sie sich an Vorgegebenes anpasst, oder so handelt, wie sie es für richtig hält. Daher gehören in diesen Bereich die Dimensionen
#Würde
#Wertschätzung
#Anerkennung und
#Respekt.
Die existentiellen Schwerpunkte sind die Selbstdistanzierung, das Selbstwertgefühl, die Selbstachtung, die Selbstannahme, das Gewissen und die Authentizität. Spezifische Ängste auf der dritten Grundmotivation: – die Angst, das Gesicht zu verlieren – die Angst, entlarvt zu werden – die Angst, Wertschätzung zu verlieren – die Angst vor Einsamkeit – die Angst, Fehler einzugestehen – die Angst vor Kritik – die Angst vor Bewertung und Abwertung – die Angst vor dem Verlassenwerden – die Angst vor Nähe – die Angst mit sich allein zu sein.
Bei Erschütterungen der dritten GM kann es zu Fremdheitsgefühlen, Einsamkeit, Ruhelosigkeit (Aktivismus), Kränkung, Verlorensein und schlechtem Gewissen kommen.
Die klinischen Störbilder sind die Hysterie, Narzissmus und die Paranoia.
4. Grundmotivation: SINNVOLLES SOLLEN

Der Mensch strebt nach Sinnerfahrung. Er will sich einem größeren Zusammenhang, der ihn übersteigt, hingeben und will Sinnvolles tun.
Die vierte – existentielle – Grundmotivation ist die Fähigkeit, ein (sinn)-erfülltes Leben leben zu können und braucht als Voraussetzung die gelungene Basis der drei vorher beschriebenen Grundmotivationen. Lebensqualität bedeutet die Fähigkeit, einen Schritt in die Welt zu setzen und Sinn und Erfüllung der Existenz zu erfahren.
Dazu braucht der Mensch die Offenheit, das, was in der gegenwärtigen Situation (an)geboten bzw. gefordert wird, zu erkennen und sich darauf einzulassen. Sinn ist dabei abhängig von den Bedingungen der gegebenen Situation und den vorhandenen Möglichkeiten der angesprochenen Person. Sinn entsteht durch die Erfüllung von Werten.
Frankl unterscheidet drei Hauptstraßen, auf denen sich Sinn finden lässt:
1. Erlebniswerte Der Mensch erlebt Sinn in Erlebnissen, z.B. in der Natur oder in der Kunst.
2. Schöpferische Werte Der Mensch erlebt Sinn als kreativ Schaffender, der in die Welt wirkt.
3. Einstellungswerte Der Mensch erfährt auch in unabänderlichen Lebenssituationen durch eine bestimmte Einstellung und Haltung zu seiner Situation Sinn, eventuell sogar auch noch im Leiden.
Daher gehören zu dieser Ebene die Dimensionen des Handelns, Tuns, die Hingabe und auch der Glaube. Kann Lebensqualität nicht erlebt werden, kommt es zu Leere- und Sinnlosigkeitsgefühlen, existentiellem Vakuum und Suchtproblematik